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Stand 09.07.2009

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aus der Schreibstube
AkuteZustaende
»Annotate dient der komfortablen und effizienten, semi-automatischen Annotation von Korpusdaten.
Es unterstützt die Erstellung kontextfreier Strukturen und erlaubt dabei zusätzlich kreuzende Kanten. Die terminalen Knoten, nichtterminalen Knoten und die Kanten werden etikettiert. Die Anzahl und Art der Kategorien ist frei definierbar. Annotierte Korpora werden in einer relationalen Datenbank abgelegt. Annotate ist mit einem Interface zur Interaktion mit externen Parsern ausgestattet.«


Was hiervon einmal Buch werden sollte, verschwände. Dorthin.



Die Festung




Das Übel hat ihn wieder angefallen. Die Sucht. Die Krankheit. Eigentlich hat er gedacht, daß die Geschichte ausgestanden ist. Der Arzt hat ihm Hoffnung gemacht. Und jetzt das.
Vor einem Monat noch hat ihm der Doktor gesagt, daß er geheilt ist. Er hat es geglaubt und sich gesund gefühlt. Wiederhergestellt. Ein neuer Mensch. Und jetzt das.
Nacht ist es und die Nacht leuchtet orange hier unten. Mauern. Die Scheinwerfer entlang der Stacheldrahtzäune. Ich muß hier raus, sagt er, und dann hört er sich reden und erschrickt und schmeißt sich in den Schatten, an die Granitmauer. Der Granit. 255.000 Kubikmeter, das weitaus vortrefflichste und theuerste Material zu solchen Zwecken. Schöner, fester, silbriger Stein, da, wo Mondlicht hinfällt; golden, wo die Scheinwerfer auftreffen. Millimetergenau behauene Quader, übergroß, alte Handarbeit, präzise. Und feucht. Als ob der unter der Festung liegende Stausee übergelaufen wäre. Angestiegen bis hier herauf. Ungemütlich ist es. Naß und kalt und anstrengend, in der Hocke. Und er zittert. Vor Lust. Wieder in der Festung. Wieder da.
Zu Anfang der 30er Jahre faßte Ihre kaiserliche Hoheit der Erzherzog Johann den Gedanken, das im Herzen von Tirol liegende Plateau von Schabs zum Zwecke eines für Tirol dienenden Haupt-Waffen- und Depot-Platzes zu befestigen, und zur größeren Sicherheit desselben auch die drei Hauptzugänge zu demselben abzusperren, nämlich die von Botzen kommende Chaussée bei Clausen, die von Innsbruck kommende Chausée bei der hohen Brücke/Ladritscher Brücke nächst Aicha und die von Brunnecken kommende Pusterthaler Chausée bei der Mühlbacher Klause.
Jeder Satz, den er einmal über die Festung gelesen hat, kommt ihm hoch heute nacht. Das Übel hat ihn wieder angefallen, ist ihm ins Gesicht gesprungen, hat sich angeklammert, läßt ihn nicht mehr aus, setzt sich fest.
Zwei Jahre lang hatte er gedacht, es überstanden zu haben. Nachdem er dem Übel zehn Jahre lang verfallen war. Es ist ein Übel, hatte der Doktor gesagt.
Er hatte es ihm nicht geglaubt. Obwohl er Arbeit, Freunde und Frau verloren hatte in den zehn Jahren, in denen die Festung sein Ein und Alles gewesen war. Zehn Jahre, in denen er ihr zuerst jede freie Minute und jede ersparte Lire, später jede Minute seines Lebens und buchstäblich alles, was er zu Geld machen konnte, geopfert hatte. Für die Festung hatte er getan, wozu er für einen Menschen nie bereit gewesen wäre. Die Festung hatte ihm alles gegeben. Und jetzt hatte sie ihn wieder.

Wahn, Wahnvorstellungen, pathologisch, aber nichts, was nicht repariert werden könnte, hatte der Doktor gesagt, wenn Sie geheilt werden wollen, müssen Sie mir allerdings vertrauen. Und dann hatte der Doktor ihn, nach wochenlangen, endlosen Gesprächen, dazu gebracht, für seine täglichen Fahrt zur Arbeit nicht mehr den Bus zu benutzen, sondern den Zug. Er hatte sich davor gefürchtet. Die Augen geschlossen gehalten, zugedrückt sekundenlang, schloß sie jedesmal, hielt sich die Hände vors Gesicht, bis sie durch waren. Der Zug und er, durch die Festung.
Todesmüd war er an solchen Tagen zur Arbeit gekommen nach der Fahrt durch die Festung, war zweimal sogar eine Haltestelle früher ausgestiegen und den ganzen Weg zu Fuß gelaufen. Nur um ihr zu entkommen.

Sehen Sie, die Festung, wie Sie sie nennen, hat sich in Ihnen festgesetzt, Sie sind an ihr erkrankt. Aber das kriegen wir schon, hatte der Doktor gesagt. Wir werden Ihnen Ihre Wahnvorstellungen schon austreiben. Oder, wenn Sies medizinisch wollen, wir werden Sie therapieren. Es ist kurierbar, keine Sorge, hatte der Doktor gesagt.
Und sie hatten sich getroffen, zweimal die Woche, geredet, er geredet, der Doktor gefragt, alles und nach allem. Und dann hatte ihn der Doktor in sein Auto geladen, war losgefahren, hatte die Fahrt lang kein Wort gesagt. Unter der Festung, in der Durchfahrt unter der Festung, einer Art gemauerter Tunnel, hatte der Doktor angehalten.
Was möchten Sie jetzt tun, hatte der Doktor gesagt, was? Aussteigen, hatte er gesagt, und war nicht ausgestiegen. Und der Schweiß war ihm von der Stirn in die Augenwinkel geronnen und brannte in den Augen und der Schweiß war nicht das Einzige, was in ihm brannte. Der Doktor hatte ihn vom Lenkrad her angesehen und dann gelächelt, gut, wenn Sie müssen, steigen Sie aus, hatte er gesagt. Aber denken Sie zuerst einen Augenblick darüber nach. Darüber, was wir die letzten sechs Monate besprochen haben, darüber, was für ein Leben sie heute führen, und wie das vor einem halben Jahr war. Sie sind noch lange nicht gesund, aber Sie können es werden, hatte der Doktor gesagt.
Und er hatte sich den Schweiß von der Stirn gewischt und aus den Augenwinkeln und blinzelnd versucht, die graugewordenen Granitmauern vor und neben und über ihnen zu sehen, aber gesehen hatte er einen grauen Schleier, und er hatte angefangen zu weinen. Und war nicht ausgestiegen. Es war der Anfang vom Ende gewesen.
Ein Jahr später hat der Doktor ihm die Hand gedrückt, bravo, Glückwunsch, gut gemacht, Sie sind geheilt, entlassen, hat er gesagt.

Das ist vor einem Monat gewesen. Das ist gewesen, bevor er sich in das Fernsehzimmer des Männerwohnheims gesetzt hat. Bevor er den Bericht im Fernsehen gesehen hat.
L'oro della fortezza. Das Gold der Franzensfeste:
Die ewigen, alten Geschichten. Plötzlich war jedes Wort wieder da, jedes Detail, jedes Bild, alles, was er in den zehn Jahren, die er für die Festung gelebt hatte, buchstäblich für sie gelebt, Tag und Nacht, was er in den zehn Jahren in sein Hirn geladen hatte, stückweis, Stück um Stück, Stein um Stein, bis die Festung in seinem Hirn groß und wuchtig imposant gewesen war wie die Festung, deren Bild er jetzt auf dem Bildschirm sah.
Und als einer der anderen im Fernsehzimmer des Männerwohnheimes auf einen bunteren Kanal umschaltete, sprang er auf, gab einen Schrei von sich, das Glas hörte er noch splittern und das Stuhlbein in seiner Hand spürte er und das Blut, das ihm übers Gesicht lief, und dann hörte und spürte er nichts mehr und wußte von nichts mehr.

Ahnt nur, jetzt, daß er gelaufen ist, weit, weiter als es ihm seine stechenden Lungen eigentlich erlauben hätten dürfen und die nackten Füße, die vor ihm im Schnee liegen.
Er ist zurückgekehrt in die Festung.
Hier kennt er jeden Stein, jeden Winkel, jede Geschichte, jeden Menschen, hat er manchmal gedacht, denkt er jetzt, jeden Menschen, der in den hundertsechzig Jahren der Festung hier gelebt hat.
Er steht auf, spürt seine blutenden Füße nicht, und schleicht durch die Festung, vorbei an den Wachen, außerhalb der Kegel der Scheinwerfer, ohne sich von den Geräuschen der Autobahn stören lassen, die gefühlslose Menschen vor dreißig Jahren, als es mit der Festung schon längst bergabgegangen war, über sie hinweg gebaut hatten. Es ist wie früher. Und er zieht die Luft tief ein, durch die Nase, und schnuppert. Hält den Atem an. Und kann sie riechen, die Festochsen am Drehspieß.
Am 17. August 1838 verließen die Majestäten Innsbruck und reisten dem Süden zu. Am 18. August geruhte nun der Kaiser Ferdinand I. in seinem Allerhöchsten Beisein die Einweihung und Taufe der Festungswerke bei Aicha vornehmen zu lassen. Der Bau stand wie ein Löwe trotzend und doch malerisch schön da. Der Fürstbischof sprach die eigens von ihm für diesen festlichen Zweck zusammengestellten Gebete und Psalmen und rief dabei den Allerhöchst bestimmten Namen Franzensfeste aus. Die Majestäten näherten sich dann mit dem Fürstbischofe dem Festungstore, an welches der Bischof mit einem silbernen Hammer drei Schläge und hierauf der Kaiser ebensoviele Schläge machte. Die Tore öffneten sich, die Kanonen donnerten. Als die Majestäten ihre Fahrt nach Brixen antraten, brach die Menge in lauten Jubel aus.
Er läuft durch die Kasematten, kriecht durch Belüftungsschächte, umgeht die Absperrgitter des italienischen Heeres. Jeden Winkel der Festung will er sehen, wieder sehen, lang haben sie sich nicht gesehen.
Die Franzensfeste. Monumentale Festungsanlage aus dem frühen 19. Jahrhundert, deren Bau umgerechnet und wertberichtigt 1.681 Milliarden Lire gekostet hat und auf die trotzdem nur dreizehn Kanonenschüsse abgegeben wurden. Kaiser Franz I., letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und erster Kaiser Österreichs, erließ nach den für ihn qualvollen Erfahrungen der napoleonischen Kriege den Befehl, an der Talenge bei Aicha nördlich von Brixen ein Bollwerk gegen Franzosen, Aufklärung und liberales Gedankengut zu bauen. Unter dem Kommando von Erzherzog Johann, Generaldirektor des Genie- und Fortifikationswesens, und nach Plänen des Festungsarchitekten Ingeniergeneralmajor Franz von Scholl verbauten in den Jahren 1833 bis 1838 an die 4500 Handlanger, 1721 Handwerker, 400 Soldaten, diverse Hauptleute, Oberleutnants und anderes Kommandopersonal 20 Millionen Mauerziegel und 255.000 Kubikmeter Granit.
Die Schanzen, das Reduit, die Blockhäuser, unter denen nur die Unverständigen sich Holzhütten vorstellten, Werk A, Werk B, Werk C, einfaches Tracée, die Turmforts, die Lafettierungen, Albrecht Dürer, der 1527 Etliche untericht / zu befestigen der Stett / Schlosz / und flecken geschrieben hat, Erzherzog Johann, der alles über die Raumverteidigung wußte. Ziegeleien, Sägewerke, Steinbrüche, Küchen, Barackenlager, Lazarett, Friedhof, Wasserleitungen, Straßen, Brücken; fünf Jahre lang stand hier eine Stadt und ihre Bewohner bauten eine Festung. Als sie damit fertig waren, verschwanden sie, und verschwand auch die Stadt. Und kein Bauer wundert sich mehr über die Geländestufen in seiner Heuwiese. Es springt ihn wieder an auf seinem Weg durch die Festung, bricht sich von außen nach innen und von innen nach außen Bahn.
Wegen Geldmangels kam es zwar 1845 zum Bau einer bombensicheren neugotischen Festungskapelle, aber erst 1847 zur Bestückung mit Kanonen. Seither hat die Franzensfeste militärisch keine Rolle mehr gespielt. Bis auf einen Tag im März 1862, als die k.u.k.-Armee dreizehn 24pfündige Granaten auf ihre eigene, militärisch inzwischen längst sinn- und nutzlos gewordene Festung abfeuerte: zu Testzwecken. Ab 1880 gab es für die Franzensfeste keinen Festungskommandanten mehr. Sie wurde lediglich als Militärdepot verwendet. Im November 1918 stießen die Italiener nach dem Waffenstillstand kampflos durch die Franzensfeste bis nach Innsbruck vor. Die Festung blieb weiter Depot. Das nahe der Festung entstandene Dorf Franzensfeste hieß nun Fortezza. Ab 1935 wurde der Eisack, der rechts an der Anlage durch eine enge Schlucht fließt, gestaut und ein Kavernenkraftwerk in den Felsen gesprengt.
Im September 1943 marschierte die Wehrmacht des Dritten Reiches in Südtirol ein und errichtete in der Franzensfeste ein Depot. In der Nähe wurde ein russisches Strafgefangenenlager aufgebaut. Am 17. Mai 1945 befreite die US-Armee das Gebiet und räumte die Franzensfeste.
Es ist Tag geworden, inzwischen, der wievielte Tag es ist, wie lange er schon hier ist, weiß er nicht. Wachwechsel, das ewig gleiche, schludrige Ritual der Gebirgssoldaten. Aber wer außer ihm will auch schon hier herein, alle wollen sie möglichst schnell daran vorbei, Autobahn, Staatsstraße, Eisenbahn.
Er versorgt sich in einem der Verpflegungsdepots mit Militärschnaps, trockenen Keksen und Schokolade, das reicht ihm, davon hat er jahrelang gelebt.
Und dann steigt er durch den steilen, langen bombensicheren Gang nach oben ins Obere Werk, unter der Autobahn durch, verzweifelt haben sie einen sicheren Untergrund für ihre Pfeiler gesucht in dem von Gängen durchbohrten Berg, er zählt die Stufen, wie immer, 433 sind es, immer noch, es ist immer noch der Augenblick, in dem er wirklich riskiert, entdeckt zu werden: hier in diesem steilen, schmalen, langen Gang.
Sein Großvater hatte ihm erzählt, ein kleines Kind war er gewesen, da hatte ihm der Großvater erzählt, und oft hatte er sich gedacht, in den letzten Jahren, deswegen, vielleicht, sicher deswegen hängt alles, was ich bin, an dieser Festung, der Großvater hatte ihm erzählt, daß er im zweiten Krieg im Oberen Werk Wachposten gegangen war. Und hatte ihm erzählt, nachdem es ihm die Großmutter erzählt hatte und er Großvater gefragt hatte, einige Jahre später, von dem versprengten deutschen Offizier auf dem Rückzug, ein blutjunger Mensch, den der Großvater übernachten hatte lassen im Stall trotz der Angst der Großmutter, weils auch nur ein Mensch war, hatte er gesagt. Hatte erzählt, daß der Offizier am nächsten Morgen sich bedankt hatte und einen Koffer unterstellen wollte, den er, der Großvater, falls der Koffer nicht abgeholt würde innerhalb eines Jahres, samt Inhalt behalten könne. Großvater hatte eineinhalb Jahre gewartet und dann den Koffer geöffnet in dem Geld und Gold lagen. Und Großvater war zur italienischen Polizei gegangen und hatte den Koffer mitgenommen. Gelacht werden sie haben und das Geld unter sich aufgeteilt, hatte die Großmutter immer gesagt.
Fifth Army, Fortezza Area, Italy. Maj. Sherman L. Anderson, and Lt. Col. James H. Penick, both of the Allied Finance Agency in Rome. They are checking the boxes of gold coins. This is part of the gold reserve that was stolen by the germans in Italy, estimated at one half billion Dollars in bullion. (5/MM-45-9449. 196th signal photo CO) Stolen from Rome when the germans retreated, and was stored by russian slave labor (5/MM-45-9453. 196th Signal photo CO). Fünfte Armee, Franzensfeste, Italien. Maj. Sherman L. Anderson und Oberstleutnant James H. Penick, beide von der Finanzagentur der Allierten in Rom. Sie kontrollieren die Kisten mit Goldmünzen, die Teil der Goldreserven sind, welche die Deutschen in Italien gestohlen haben und welche einen geschätzten Wert von einer halben Billion Dollar in Goldbarren haben. Während des Rückzuges der Deutschen von diesen in Rom gestohlen. Die Deutschen haben russische Zwangsarbeiter benutzt, um das Gold zu lagern.
In all den Jahren, in denen er in der Festung gelebt hat, in jedem ihrer Winkel, auch da, wo keiner hingekommen ist seit Jahrzehnten, in all den Jahren hat er nie Gold gesehen. Er war nicht auf der Suche danach und er hat es auch nicht gesehen. Und wenn er keines gefunden hat, ist keines da. Er ist der einzige, der die Festung kennt. Die Staatsanwälte nicht, die Richter nicht, die mit großem Polizeiaufgebot in den 80er Jahren da waren und denen er aus seinem Versteck heraus zugehört hat bei ihrer Suche nach dem Gold, die Reporter nicht, die Fernsehteams nicht, die Carabinieri, die Finanzer, die Polizei, das Militär nicht. Keiner kennt die Festung, außer ihm.

Und jetzt, nachdem er zwei Jahre lang versucht hat, die Festung zu vergessen, aus seinem Leben zu vertreiben und seinem Hirn, ein Mensch zu sein, wie der Doktor gesagt hat, jetzt ist er wieder hier, hat sie ihn wieder, die Festung, seine Festung.
Zwischen 1945 und 1947 ist die Festung unbesetzt. Seither halten sich Gerüchte, in der Franzensfeste sei noch Gold versteckt: entweder weitere Teile des Goldschatzes der italienischen Staatsbank oder der Staatsschatz der faschistischen kroatischen Ustascha-Regierung. Seit 1947 wird die Franzensfeste vom italienischen Militär als Munitionsdepot benützt.
Und dann hört er Geräusche und Bewegung. Schmeißen sie mir wieder eine Drogenleiche von der Autobahn herunter, denkt er, wie damals. Nicht nur das. Ein paar Jahre später hatte er es, weil er alles las über die Festung, auch das Letzte, nachlesen können. Wo waren Sie vor drei Tagen? Weiß ich nicht mehr. Dann helf ich Ihnen weiter. Sie standen mit Ihrer Zugmaschine auf dem Pannenstreifen der Autobahn, Nordspur, bei Kilometer 87. Und? Der Bulle ließ den Eiswürfel ein paar Runden in seinem Wiskeyglas drehen. Ganz in der Nähe haben wir eine Leiche gefunden, sagte er. Ganz in der Nähe ist übertrieben. In die Festung hatten sie sie ihm geschmissen, die Leiche. Er hofft, daß es diesmal keine ist. Weil es sonst wieder für ein paar Tage aus ist mit der Ruhe, in seiner Festung. Und das kann er nicht dulden, jetzt, wo er für immer zum Festungsbewohner geworden ist.
Von einem Toten war in dem Fernsehbericht die Rede gewesen, einem jungen Mann, der mit maschinengeschnitzten Weihnachtskrippen gehandelt und vier Millionen Mark auf einem deutschen Konto liegen hatte. Man hatte ihn erschlagen aufgefunden. Und ein Zeuge wollte in einem der Männer, die anscheinend am Tatort gewesen waren, einen Militär wiedererkannt, der in einem zwei Wochen zuvor ausgestrahlten Film über das Gold der Festung interviewt worden war.
Die Beziehung zwischen dem Unteroffizier und der 1833 erbauten Dame aus Stein währt seit 23 Jahren. Ich bin fasziniert von diesem Fort, ja verliebt, gesteht der Unteroffizier. Der angebliche Goldschatz hat dem Herrn der Festung zwar keine schlaflosen Nächte bereitet, dennoch ist er hundertprozentig sicher, daß etwas von dem Gold noch hier ist in der Festung. Wenn der Unteroffizier zu Jahresende die Festung verläßt und sich als Rentner zurückzieht, werden seine Spuren noch jahrelang sichtbar sein – in Form von Ziegendreck. Über Jahre hatte der Unteroffizier in seiner Festung zehn Ziegen gehalten.
Dann war von verschwundenen Waffen, von Plastiksprengstoff, Zündschnüren, Minen und Panzerabwehrraketen die Rede gewesen in dem Fernsehbericht über den Toten und die Festung. Und er hatte verstanden, was das bedeutete. Daß er zurück mußte, um sie zu beschützen. Um bei ihr zu sein, wenn sie in sie eindrangen. Deswegen war er im Fernsehraum explodiert.
Und dann sieht er den Staatsanwalt. Ein lauter, übereifriger Mensch. Und die Carabinieri. Dreißig zählt er. Und die Fotografen und die Journalisten. Und pirscht sich an sie heran, immer im Schutz seiner geliebten Granitquadern und hört sie reden und hört ihnen zu und traut seinen Ohren nicht.
Sie reden, immer noch, von Waffen und Geld und Gold. Und dem einem toten Krippenhändler. Daß bei der Obduktion in seinem Magen Speckknödel gefunden wurden Und sie reden von der Festung und ihrem Kommandanten. Und davon, daß sie diesmal die Festung wirklich auf den Kopf stellen wollen, daß die Untersuchungen keinen Stein auf dem anderen lassen werden, daß einmal ein Ende sein muß mit den Gerüchten.
Ihr, denkt er, habt nichts verstanden. Solange diese Festung steht, wird sie in euren Hirnen spuken. Aber ihr seid ihrer nicht würdig. Ihr habt kein Gefühl und keine Ahnung. Wie, denkt er, Doktor, wenn du mich hörst, wie soll ich draußen leben? Sie sind blind und taub und respektlos. Und die Festung ist wehrlos. Deswegen, Doktor, muß ich sie beschützen. Und keiner wird sie auf den Kopf stellen. Niemand soll sie nackt sehen. Außer mir. Ich habe vorgesorgt. Wenn sie ihr zu nahe kommen, werden wir alle in die Luft fliegen und dann auf die Wiesen herunterregnen. Die Ruhestörer, ich, und die Festung.
(1997)

(eingestellt aus gegebenem Anlaß)


Unter dem Titel »Die Festung« erschienen in: >>> »Heisse Hunde. Hirnrissige Geschichten und ein Stück Karibik«, Hardcover.
Haymon Verlag 1997

Unter dem Titel »Die Festung« erschienen in: >>> »Weißwein und Aspirin. Hirnrissige Geschichten«. Diogenes Taschenbuch, 2002

(Annotate. AkuteZustaende. 09/07/09)




















































































die b-protokolle / #70 / 180509



Eine einfache anfrage an die
fuer unsereins zustaendige
auslaenderbehoerde der
reichshauptstadt ergab,
im quelltext des elektronischen
antwortbriefes nachgelesen
(und sofort unter : paranormalia :
archiviert), dasz sich
auslaenderbehoerdenbeamte
folgenden namens mit der sache
sowie dem hinweis, dasz die
aufenthaltsgenemigung erst
ende november ablaufe sowie
fruehestens einen monat vor ablauf
gegebenenfalls verlaengert werden
koenne, befaszt haben:
Forelle
Krannich
Kruszka
Schierwagen

(Annotate. AkuteZustaende. 18/05/09)



die b-protokolle / #32 / 180309




Man soll nicht untern Möbel pischen
und sich nicht untern Pöbel mischen

(Aus: Die Erziehung des J.K. zum
Kommunisten und Wisssenschaftler)

(Annotate. AkuteZustaende. 18/03/09)



die b-protokolle / #18 / 040309



ronde e rondini
(nell'anno del signore)


(Annotate. AkuteZustaende. 04/03/09)



Nach
Vor runden notizen sitzen (II)



S'is alls noch verlorn

Wenns denn, da's
nich mehr zum mítanhoern,
nich zu hoern waer:
das waer was

Heil schrien se
und sieg schrien se
Vonner kulturbraurei rueber
uebern friedhof aufn balkong
S'is alls noch verlorn

Nu wars abba
wie na'tuerlich doch
zum hoern. zúzuhoern
abba wars nich

Sieg schrien se
und heil schrien se
Vonner kulturbraurei rueber
uebern friedhof aufn balkong
S'is alls noch verlorn

(im nachgriff auf AUT:GER - 0:1)
(im vorgriff auf POR:GER von heut)

(* uebern friedhof aufn balkong: >>> hier und >>> hier)




22. Juni 1938
               


"In the stands there was bedlam. Tallulah Bankhead sprang to her feet and turned to the Schmeling fans behind her. 'I told you so, you sons of bitches!' she screamed. Whites were hugging blacks. 'The happiest people I saw at this fight were not the Negroes but the Jews,' a black writer observed. 'In the row in front of me there was a great line of Jews - and they had the best time of all their Jewish lives.' . . . 'Beat the hell out of the damn German bastard!' W. E. B. Du Bois, a lifelong Germanophile who rarely swore, shouted gleefully in Atlanta. In Hollywood, Bette Davis jumped up and down; she had won $66 in the Warner Brothers fight pool. . . . 'Everybody danced and sang,' Woody Guthrie wrote from Santa Fe. 'I watched the people laugh, walk, sing, do all sorts of dances. I heard "Hooray for Joe Louis!" "To hell with Max Schmeling" in Indian, Mexican, Spanish, all kinds of white tongues.' "
                                                            David Margolick. Beyond Glory. 2005

Joe Louis Schmeling

Schmeling goes down for a count of 3 less than a minute into the second fight with Louis. At 2:04 of Round 1, Louis was the winner by a technical knockout.

(Annotate. AkuteZustaende. Gedichtenǂwerfen. 19/06/08)







































Joe Louis Schmeling 22.06.1938

Joe Louis Schmeling



Vor runden notizen sitzen (I)

Verlang mir hier keiner
Fuer jeds spuel n reimer


S'is A not
mit dem krawot
(
AUT:CRO - 0:1)


***


Erst der Blocher, dann der Frei
Was ist blosz los da in der Schwei ?
(SUI:CZE - 0:1)



***


Spielen hamburger orange
è l'italia quell' che piange
(
NED:ITA - 3:0)


***


(an eine griechin)

Naja. waer taetge solidaritaet gewesen
so'n 3:0 - und liebe auch
Es kennt aber des spieles brauch
tum keine ungedeckten spesen
(kagounis ist ein doppeltepp)
(GRC-SWE - 0:2)


***


(zwischen den spielen)

(und leiser hunger waer da noch
doch wird er ueberschlafen
wer'n. im zaehln von schafen)


***


Regnets schwer in dem von basel
kricht der schweizer ein aufs nasel
(sonst auch. das ist dort brauch
dem tuerken ziemts. dem schweizer auch)
(SUI:TUR - 1:2)


***


Es schieszen polen tore gegen polskis (2)
und tuerken tuns dem turkmann rein (3)
Und da wollt ihr ein einig volk von bruedern
und nation und vaterland und sonst was sein?
(Es ist die brause, die ihr trinkt, verant
wortlich fuer diese sauzse, die hier stinkt)
(GER:POL - 2:0)
(SUI:TUR  - 1:2)



***


Es regnet hier in diesen tagen
den einen reim, den andern rein
Man wollt sich das grad hinterfragen
da buchtet semih glatt den ausgleich ein (57:00)


***


Fuszball allein ist so langweilig
fuszball allein ist der tod
Da tun wir (frau fern) uns am reim heimligch
schon leuchtet das abendrot (haettste gern)
Blut laeuft im feld. es faellt der held
                             (das tor noch nich. es ziert sich. gleich,
                             so Der Blick: Die ganze Schweiz im Seich)

***



un giorno come un'altro

(si direbbe)

eppure: 10 minuti di grandine
oggi, alle ore 20:00
qui a berlino (DDR)
(primetime)
e apriti cielo
(ha fatto freddo
assai, ultimamente:
niente di nuovo)


(... moriremo tutti democristiani. scemi. scemocristiani.)
(magari anche: protofascemoleghisti)



Io il mio (nel mio piccolo) l'ho fatto. Una settimana fa. Adesso, mentre arrivano i primi exit polls, ci tengo a precisare: turantappandomi. Del resto, noi AIREsi avevamo poca scelta. ("Ciao Marcello, sono Aldo, Aldo Micciché. Posso darti una mano qui in Sudamerica?") 

Das meine habe ich also getan. vor einer woche bereits. und mir dabei, nach altem italischen brauch, naswieohr zugehalten. nunmehr ists kein eingriff mehr in den wahlkampf, das zu schreiben (den fuehrt unsereins sowieso anderswo - es sei denn er hiesze guenter und habe im jahr 59 ein buch veroeffentlicht; wollnwer nicht so sein und nehmen das erscheinungsjahr 79 auch noch mit bei - : an lettern entlang also fuehrt unsereins, wennschon, den kampf)

scheda 2


waehrend also die ersten hochrechnungen unters volk verteilt werden, notiere ich mir, im vorgriff auf die neue regierung, die die unsere sein wird, folgende zeilen aus Ben Hechts "A Child of the Century" (1954):

"Die riesigen Säle des Palastes waren verlassen, abgesehen von einem verwirrten älteren Burschen in einer Lederschürze. Er stand im Korridor und beobachtete die Invasion. (...) Er war des Kaisers Holzlieferant. Seine Pflichten waren, oder besser: pflegten zu sein, den Kaiser mit kurzen Holzstämmen zu versorgen. Jeder Block mußte zu drei Vierteln angesägt und auf einen Stapel gelegt werden."

dann aber, so erzaehlt sich die geschichte weiter, kam der kaiser, regelmaeszig, fruehmorgendlich, in fotografenbegleitung, selbstverstaendlich, nahm die axt, schwang sie, und: (oh wunder ueber wunder) hackte die staemme entzwei, mit dem einen, einzigen, kaisergewaltigen axthieb. (nebenbei: er war ein einarmer. so sind sie, die kaiser. die berluskaiser, um den wahlsieger zu zitieren. remember?)

die geschichte als auch /halbe/ antwort darauf:
"In Italia non si può fare a meno di discutere dei risultati 'da subito' ed a caldo. Anche se sono parziali e, come già successe nel 2006, vennero poi contradetti (almeno parzialmente) da quelli finali." (http://www.noisefromamerika.org)




E no / sagst du


E no, ragazzi, no, ohè
l'unico commento è:
Ritornare alla scrivania
a fabbricar 'na poesia

(per tornar dove
s'era partiti)

So schreibst du weiter weiter weiter
so sagst du: schreib doch weiter
armer heiter. So schreibst du weiter
weiter weiter. so bist du (unversehens)
heitrer als noch eben
eben dessentwegen

E no, ragazzi, no
Non ve la do



(
per fabbricare una poesia)
(come questa)
(o >>> quella)

(stavolta l'estero non cambia niente)
(E vi ricordiamo la "Giornata Nazionale del Sacrificio del Lavoro Italiano all’Estero”. Si festeggia l'8 agosto. Tjè.)


>>> (Annotate. AkuteZustaende. Gedichtenǂwerfen. 14/04/08)
(... moriremo tutti democristiani. scemi. scemocristiani.)
(magari anche: protofascistiscemoleghisti)


46° 30 0 N - 7° 45 0 O

(... moriremo tutti democristiani. scemi. scemocristiani.)

"Schriftsteller sollen bekanntlich besonders phantasiebegabt sein. Als Grundlage für Gerichtsentscheidungen taugen Phantasieprodukte aber nicht."

Das ergibt, unter anderem:
2 Tatsachenbehauptungen, beide nicht belegt.

(Unser aller Tante Schily, die mit der selbst fuers Kaffeekraenzchen unmoeglichen Frisur, vom Katzentisch aus, am 28.01.2008, brieflich. Dabei isses eigentlich ernst, uns Unernsten, mit den Zustaenden. - Als italienischer J
ahrzehnteGastarbeiter in D ohne deutschen Pass: quasi im Umwegverfahren.-)

(... moriremo tutti democristiani. scemi. scemocristiani.)





alalà ...  *
... è fatta

È fatta

*
»Quante divise in quel ballo, che luccichio di stivali! Che alamari, che saluti, che maestre eleganti, che ispettori, che ispettrici, che teste arrovesciate, che spie, che menti in aria, che nastrini, che giubbe, che sorrisi, che ordine, che mammelle, che rispetto per i potenti, che giornalisti, che navigatori, che trasmigratori, che volatori, che inni, che alalà!». (Una festa da ballo. V.B.,1944)


... und das hier erinnert dann doch ungemein an Napule (und das ist immerhin 72 monate her):
Το φάντασμα του Μπερλουσκόνι αρχίζει να πλανιέται και πάλι πάνω από την Ιταλία. (Ta Nea, 25/01/08)


(bild/wortraetsel, das hier. zu den arbeitskreisen: >akutezustaende<, >uebersetzen<, >napule< und >cesarini<. keine deutschsorge, loest sich schon noch auf, irgendwann, poeàpoe und wie von selbst. ecoballe, also. es sind dieser tage sehr suedliche tage, hier.)

(Annotate. AkuteZustaende. Uebersetzen. Napule. Cesarini. 25/01/08)
(... moriremo tutti democristiani. scemi. scemocristiani.)




... moriremo tutti democristiani. scemi. scemocristiani.

(degasperi. mastella. piove sempre sul bagnasco.)
in diretta via grparlamento



chronik des laufendes wahnsinns

15:02       Bossi: "O al voto o c'è la rivoluzione. Troveremo le armi"
"Cade, cade. Può reggere alla Camera ma cade al Senato". È quanto ha dichiarato dal leader della Lega, Umberto Bossi. Che poi ha aggiunto: "O andiamo al voto o c'è la rivoluzione. Troveremo le armi".
 (la repubblica, 23/01/08, 15:02)

«Se non si va al voto facciamo la rivoluzione... - ha detto Bossi tirando una boccata del suo sigaro e aprendosi in una risata - vuol dire che mettiamo in piedi la polizia del Veneto, della Lombardia, del Piemonte... Certo ci mancano un pò di armi, ma prima o poi quelle le troviamo», ha concluso ridendo nuovamente.
(la stampa)
                                                                                                                                                                                                                       

also: wird wieder mal zeit, sich als italiener eine runde um den block zu schaemen... (e ci siamo abituati già da tempo)

cosa avevo scritto - nel delta - ? ecco quà (ed è l'excipit):
"Das Wasser fällt, die Steine kommen zum Vorschein. Shuĭluò-shíchū."
(per chi non sapesse il cinese:
la prima frase è la traduzione della seconda)


(Annotate. AkuteZustaende. Delta. 23/01/08 10:30)










Delta