Napule
Roman. Haymon Verlag,
2002. Diogenes Taschenbuch, 2005
Napule,
das ist unsere Stadt. das andere, dieses andere Napoli, ist eine
entschlackte Leichtausgabe für den Reisenden.
Sagt Ciro, 'o prufessore.
Hier hat alles immer mit irgendwas anderem zu tun. Ob man will oder
nicht. Es ist, wie durch unterirdische Gänge, jedes mit allem
verbunden, hier stößt du an einen losen Pflasterstein und dort stürzt
ein Palazzo ein.
Napule eben.
Januar. Es stürmt und schneit am Mittelmeer.
Kaum ist der Exmatrose und Ex-Lkw-Fahrer Tschonnie
Tschenett in Neapel an Land gegangen, wird er Opfer einer Razzia und
hat es auch weiterhin verschärft mit den Uniformierten zu tun, denn
sein alter Freund Totò schleppt ihn mit zum G-8-Gipfel, einer
gespenstischen Veranstaltung der europäischen Polizei zur organisierten
Kriminalität.
Totò war es auch, der Tschenett nach Jahren der Abgeschiedenheit im
Hafen von Saloniki ausgerechnet ins brodelnde Neapel lockte – oder
besser gesagt: ins Napule der Einheimischen.
Hier herrscht der Ausnahmezustand: Die Jugend liefert sich
Straßenschlachten mit der Polizei, diese verschleppt Zivilisten als
Geiseln, und eine Bande von betrügerischen TV-Wahrsagern zockt die
gesamtitalienische Bevölkerung ab – Tschenetts einziger Halt in diesem
wilden Treiben ist ein kleines Grüppchen von Freunden: Totò, Inspektor
Ciro, genannt 'o professore, dessen Frau Angela und deren rebellische
Tochter Sera, die auf dem Höhepunkt der Ereignisse spurlos verschwindet.
Napule ist der Roman einer Reise in den Süden und durch die Gegenwart,
den Glauben und den Aberglauben Italiens.
Presse:
»In 'Napule' gerät
(Tschenett) zwischen alle Fronten. Und in ein seltsam archaisches
Napoli, dem ein auswärtiger Krimiautor nie zuvor so viel realitätsnahes
Lokalkolorit angedichtet haben dürfte.
Kurt Lanthaler, dessen
investigativer Stilmix in diesem jüngsten Fall irgendwo zwischen
Leonardo Sciascia, Arno Schmidt, Wolfgang Koeppen und Friedrich Glauser
anzusiedeln ist, hat mit Tschenett einen Helden geschaffen, dessen
wunderliche Methoden sich wunderbar vom Beamtenermittlertypus abheben.
Allein die lakonische Dada-Rhetorik lohnt die Lektüre.«
(Hendrik Werner, welt.de)
»Napule
heisst der neue Tschonnie-Tschenett-Roman von Kurt Lanthaler. Sein
leichter Erzählton, der auf genial verschrobene Weise Hesiod und
Berlusconi zusammenbringt, kann genauso wenig wie das opulente
Schwelgen in Kulinaria Lanthalers politische Klarsicht und Angriffslust
verdecken.
Wenn diese Art heiter-komplexer Prosa so etwas wie eine
neue deutschsprachige Krimi-Kultur entfachen könnte ... ach, das wäre
schön.«
(Thomas Wörtche / Leichenberg)
»Der bislang beste Tschenett. Eintauchen in das Neapel abseits aller
Touristenströme: eine Empfehlung mit Nachdruck!«
(Horst Steinfelt / Buchkultur,
Wien)
»Für den Schriftsteller Kurt Lanthaler ist in keiner Schublade Platz,
schon gar in keiner nationalen. (...)
Unterwegs ist Tschenett diesmal nicht, und Neapel kommt einem
daher
unverdünnt und mit einer Wucht entgegen, die den stärksten Leser
umhauen kann. Das Buch riecht nach Neapel, es verführt einen zur
Haßliebe zu dieser Stadt, die seine Helden gemeinsam haben, es
errichtet einem ein Neapel vor Augen und Ohren und Nase, das die
gleiche Überzeugungskraft hat wie Izzos Marseille – und das heißt nicht
wenig. Ob es dieses Neapel wirklich gibt: keine Ahnung, ich war nie da,
aber wenn nicht, hat Lanthaler es aufs Sinnbetörendste erfunden.
Nicht
zu fassen, andererseits, dass dieser Roman, in Teilen jedenfalls, auf
Schloss Wiepersdorf entstanden ist, dem zum Künstlerdorf umgewidmeten
einstigen brandenburgischen Landsitz von Achim und Bettina von Arnim:
für Tschonnie Tschenett wären das die Antipoden seiner europäischen
Lebenswelten, kein Kafenion, kein Verbrechen, keine Reibungsflächen.
Ein Ort für Spracharbeiter wie Lanthaler einer ist, Tschenett käme um
vor Langeweile. (...)
Das Glossar, das schon bisherigen
Tschenett-Büchern anhing, ist diesmal beinahe inkorporiert ins
Erzählen, indem nämlich, in der Schein-Gestalt der Begriffserklärung,
Tschenett oder ein anderer Erzähler, einfach weiterredet, mal
erläuternd, mal abschweifend, oft und oft eine Suada gegen die
verrotteten Zustände schleudernd.
Was im Haupttext von anderen
Geräuschen fast verschlucktes Grollen ist, präzisiert sich hier, im
Anhang, der fast keiner ist, zu Anklagen, genauer ausgeleuchteten
Hintergründen und Analysen, die über das Erzählen, das trotz allem den
Hauptteil ausmacht, hinausschießen.
Im Anhang kommt Napule als
außerordentlich politischer Roman zu sich selbst, im Hauptteil zeigt
sich, was die Helden tun können vom Rand der Gesellschaft her, an den
sie mehr oder weniger absichtlich geraten sind: wenig bis nichts, nur
reden und schimpfen, sagen, was ist.
Und das macht sie zwar nicht zu
Sprachrohren, aber doch zu so etwas wie Geistesverwandten ihres Autors,
der den italienischen Verhältnissen heimleuchtet mit den Mitteln, die
er hat: Präziser Recherche, Sprachgewalt und Charakteren, von denen man
mehr
lesen möchte.«
(Ekkehard
Knörer / Perlentaucher.de)
»Lanthaler entwirft ein Sittengemälde Italiens im Allgemeinen und
Neapels im Besonderen.«
(Gerrit
Bartels / die tageszeitung, Berlin)
»Nichts gegen Wallander oder Brunetti. Aber im Vergleich zu Kurt
Lanthalers Serienheld Tschonnie Tschenett wirken die beiden wie
furztrockene Beamtenseelen. Tschenett ist ein derber Gesell, doch
Lanthaler zeichnet ihn subtil, mit Stil und Humor. In Napule gehts um
Krawalle, faulen TV-Zauber und einen merkwürdigen Palazzo, aber in
erster Linie um Neapel. Der beste, kraftvollste Krimi der Saison.«
(Allegra, Hamburg)
»Napule besticht durch Lanthalers unnachahmlichen Sprachstil, die
gekonnten Perspektivenwechsel, die genaue Kenntnis Italiens und vor
allem durch das umfangreiche Glossar (über 40 Seiten!) am Ende des
Buches, das nicht einfach ein Wörterverzeichnis ist und mit gescheiten
Erklärungen aufwartet, sondern die Geschichte(n) fortschreibt,
kunstvoll, liebevoll aufgeschmückt, einen Blick hinter die Kulissen
zulässt.«
(Peter
Landerl, www.literaturhaus.at)
»Napule ist weit davon entfernt ein bloßer Krimi zu sein,
es handelt sich vielmehr um eine ethnologische Erkundung, durchgeführt
von einem Vagabunden, der schon alles erlebt hat.«
(Ingeborg Sperl / Der Standard,
Wien)
Neapel im Winter, die schräge Sicht des Tschonnie-Tschenett. (DR)
Wer
das klassische Krimi-Schema genießen will, kann gleich zu einem anderen
Autor gehen. Denn wer einen Lanthaler-Krimi liest, muss sprachlich
einiges vertragen, etwa die Liebe zum Unkonkreten, zum Ungenauen, zum
Dings, nur dass der Lanthaler eben nicht wie der Haas vom Dings redet.
Dazu ist er sich zu gut, außerdem gibt es den Lanthaler-Helden, den
Ex-LKW-Fahrer Tschonnie-Tschenett einfach schon länger als den Brenner;
wirklich begeistern kann sich der Autor für eine echt gute Pizza und
warmherzige Wirtinnen. Die trifft er in dieser Ausgabe zur Genüge: im
Jänner 2002 schneit es in Neapel und mitten im Schneegestöber agiert
Tschonnie Tschenett, Ex-Matrose, ein Gescheiterter, aber durchaus
intelligent.
Wer Neapel zu kennen glaubt, muss diesen Krimi lesen:
Neapel aus der Sicht seiner Einwohner/innen, zwischen Katholizismus und
katholischem Aberglauben und den Machenschaften des organisierten
Verbrechens. Das Glossar ist wichtiger Bestandteil des Romans: gefüllt
mit Hinweisen auf frühere Tschenett-Romane, hinterlegt mit
geschichtlichen Fußnoten und wichtigen Querverweisen - das Gute siegt,
besonders wenn Tante Teresa vorher ihren Hexenzirkel befragte. - Für
Leser/innen, die Sprachexperimente schätzen, die lineare Erzählungen
langweilig finden und bei "Ein Fall für zwei" einschlafen.
(*bn* Christina Gastager-Repolust.
Quelle: bn.bibliotheksnachrichten)